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Trauerphasen

wunderschönes Friedhofstor

    Typische Verhaltensweisen

   in vier Trauerphasen.

 

Die moderne Trauerforschung teilt die Trauer in verschiedene Phasen ein. Das Wissen um die Trauerphasen ermöglicht es, die Probleme und Schwierigkeiten zu erkennen, mit denen sich Trauernde auseinandersetzen müssen. Gleich vorweg ist es mir wichtig zu erwähnen, dass dies zwar eine gute Orientierungshilfe ist, um sich selbst oder andere Trauernde besser verstehen zu können, dass diese Phasen allerdings nicht bei jedem/r gleich verlaufen. Je nach Persönlichkeit, dem Verhältnis zur verstorbenen Person und den Umständen des Todes variieren diese Phasen sowohl in ihrer Intensität als auch in der Reihenfolge. Weiters müssen diese Phasen der Trauer nicht genau hintereinander ablaufen sondern können auch ineinander übergehen. Es ist wichtig zu wissen, dass es nicht das „eine typische Gefühl" oder die „eine typische Reaktion" gibt. Wichtig für Trauernde ist, zu erkennen, dass sich die Trauer verändert und dass in dieser Ausnahmesituation sehr viele „sonderbare“ Gefühle und Zustände völlig normal sind.

Eine sehr bekannte Theorie stammt von der Schweizer Psychologin Verena Kast, die, angelehnt an das  Modell der Sterbephasen von Elisabeth Kübler-Ross, vier Trauer-Phasen unterscheidet.


1. Nicht-Wahrhaben-Wollen

Die Nachricht über den Tod eines nahestehenden Menschen schockiert immer, auch wenn dieser nicht unerwartet kommt. Die erste Reaktion ist meist Schock, Erstarrung und Hilflosigkeit. Eine ganz normale Reaktion des Körpers, ein Schutzmechanismus [so wie bei einem Schnitt mit dem Messer - man blutet nicht sofort in der Sekunde des Einschnittes]. Das Geschehene kann zunächst nicht wirklich erfasst werden, vor allem kann und will man es sowieso nicht glauben, nicht wahrhaben. In diesem Moment könnte man die Wirklichkeit nicht verkraften. Man ist wie benommen, von einer Wolke oder Nebel eingehüllt in Watte, fernab von jeglicher Realität, nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Der Tod in seiner Gnadenlosigkeit hat etwas Überwältigendes und gleichzeitig Unbegreifliches.
Manche Menschen geraten  zu diesem Zeitpunkt aber auch außer Kontrolle oder brechen zusammen. Andere wiederum „funktionieren“ einfach, erledigen wie in Trance, was zu tun ist, treffen Entscheidungen ohne „richtig dabei zu sein“, wie ferngesteuert, beschreiben sie diesen Zustand hinterher.

Typische Reaktionen in dieser Phase:
Erstarrung, Betäubung, Leugnen des Todes, Schockgefühl, die Unfähigkeit zu weinen, rascher Pulsschlag, Schwitzen, Übelkeit, Erbrechen und motorische Unruhe.

Diese erste Phase kann wenige Stunden bis - vor allem bei plötzlich eingetretenen Todesfällen - mehrere Wochen dauern.

Was können Sie als nahestehende Person machen?

* Trauernde so sein lassen, wie sie sind und nicht in ihren Reaktionen bevormunden.

* Einfach da sein, ohne viel zu fragen.

* Keine Erwartungshaltung (er/sie müsse doch weinen) sondern Unterstützung bzw. Annehmen der Gefühle, die kommen.

* Alltägliche Besorgungen übernehmen.


2. Aufbrechende Gefühle

Während Trauernde im Schock kaum etwas fühlen, beginnt in dieser Phase ein gewaltiger Schmerz, der emotional und körperlich sehr stark sein kann. Nun kommen die Gefühle hoch und es kann zu unkontrollierten Ausbrüchen von Wut und Zorn kommen. Schuldgefühle als auch heftige Vorwürfe gegenüber dem Toten, im Stich gelassen worden zu sein können ebenso zu Tage treten wie depressive Stimmungen und Niedergeschlagenheit. Leid, Schmerz, Freude, Hilflosigkeit, Traurigkeit, Verzweiflung und Angst können an die Oberfläche kommen. Es kann aber auch sein, dass Trauernde aggressive Gefühle gegen sich selbst richten.

Wichtig ist, dass all diese Gefühle, die über einen hereinbrechen, zugelassen und wenn möglich nicht medikamentös betäubt werden. Natürlich können Medikamente vorübergehend Erleichterung bringen, wenn die Belastung allzu groß wird (reden Sie bitte offen mit Ihrem Arzt / Ihrer Ärztin). Jedoch sind Trauernde im Nachhinein meist dankbar, diese intensive Gefühlswelt an sich erlebt und  diesen Schmerz durchlebt zu haben. Werden die Gefühle unterdrückt, so kann sich das nachhaltig negativ auswirken. Immer wieder höre ich von Menschen, die hinterher depressiv wurden, denn sie hatten den Eindruck, dass ihnen etwas fehlte. Die erste Zeit der Trauer ging durch die medikamentöse Beeinflussung spur- und erinnerungslos an ihnen vorüber. Eine Verdrängung der Trauer führt leider zu einer Verzögerung des Trauerprozesses.

Diese zweite Phase kann von einigen Wochen bis zu mehreren Monaten anhalten.

Was können Sie als der Trauernden nahestehende Person machen?

* Gefühlsausbrüche zulassen, da sie heilsam sein können.

* Einfach für die Person dasein, soweit es Ihnen möglich ist.

* Schuldgefühle weder ausreden noch bekräftigen, sondern einfach zur Kenntnis nehmen.

* Am Erleben und Erinnern Anteil nehmen und „eigene Geschichten“ zurückhalten.

Allgemeine Anregungen zur Erleichterung dieser Phase:

* Ein Trauer-Tagebuch schreiben,

* lange Spaziergänge an der frischen Luft,

* Malen,

* Musikhören,

* Atem- und Entspannungsübungen,

* ein warmes Bad mit angenehmen Düften…

3. Suchen und Sich-Trennen

Trauernde gehen jetzt gerne an Plätze, an denen sich der/die Verstorbene häufig aufgehalten hat, essen deren Lieblingsessen, hören dessen Lieblingslieder und suchen in anderen Menschen Ähnlichkeiten mit dem Verstorbenen. Manche (auch unliebsame) Gewohnheit des Verstorbenen wird übernommen. Dieses „Suchen“ endet jedoch immer wieder mit der Erkenntnis, dass der Verstorbene tot ist. Das ist zwar schmerzhaft, aber durch diese intensive Auseinandersetzung entsteht noch einmal ein sehr starkes Begegnungsgefühl. Innere Zwiegespräche können zu einer Klärung noch offener Punkte führen. Über dieses Suchen (des realen Menschen) aber  nicht Finden und das sich erneute Trennen (vom gemeinsamen Leben, den Erinnerungswerten), wird langsam der Verlust ins Leben integriert. Im Verlauf dieses intensiven Suchens, Findens und Wieder-Trennens kommt irgendwann der Augenblick, wo der Trauernde die innere Entscheidung trifft, wieder "ja" zum Leben und zum Weiterleben zu sagen oder aber in seiner Trauer zu verharren.

Diese Phase kann Wochen, Monate oder sogar Jahre dauern.
 
Mögliche Hilfestellungen für nahestehende Personen in dieser Phase:

* Einfach da sein, zuhören – auch wenn man die Geschichten alle schon kennt.

* Alle Erlebnisse der Vergangenheit dürfen ausgesprochen werden.

* Viel Geduld und ernst nehmen der Gefühle, die durch Erinnerungen wieder auftauchen.

* Zeit lassen – niemals zum Akzeptieren des Verlustes drängen.

4. Neuer Selbst- und Weltbezug

Langsam  kommt der/die Trauernde schon besser mit dem Verlust zurecht. Der Tote hat „seinen Platz“ im Leben des Hinterbliebenen gefunden. Der/die Trauernde kann sich vom Verstorbenen nach und nach lösen, erkennen dass das Leben weitergeht und sein/ihr Leben neu ordnen. Der Trauerprozess hat Spuren hinterlassen, doch es entwickelt sich ein neues inneres Gleichgewicht.
 
Was können Sie als der Trauernden nahestehende Person tun?

* Akzeptieren, dass Sie jetzt nicht mehr so sehr gebraucht werden.

* Neues akzeptieren,

* Veränderungen im Beziehungsnetz des Trauernden begrüßen und unterstützen

* sowie sensibel bleiben für Rückfälle.